Bei einem psychologischen Gutachten handelt es sich um eine wissenschaftliche Leistung, die dadurch erbracht wird, „dass auf der Grundlage von wissenschaftlich anerkannten Untersuchungs- und Beurteilungsmethoden und -kriterien im Hinblick auf die Beantwortung einer vom Auftraggeber vorgegebenen Fragestellung Daten bei [Begutachteten] erhoben, sachverständig ausgewertet und beurteilt werden, dass der der Sachverständige die Frage(n) des Auftraggebers aufgrund seines psychologischen Fachwissens, der Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstandes und seiner einschlägigen Berufserfahrung beantworten kann“ (Zuschlag, 2006).
Viele psychologische Gutachten erfüllen diese Anforderungen jedoch nicht oder nur unzureichend. Als ergänzende Dienstleistung bietet der Sachverständige daher eine Einschätzung und Bewertung von sogenannten Erstgutachten an. Es handelt sich dabei um eine inhaltliche und methodische Kritik an einem bereits existierenden familienpsychologischen Gutachten. Eine solche Überprüfung kann auch durch ein Gericht in Auftag gegeben werden, welches eine unabhängige fachliche Einschätzung zu einem vorliegenden Gutachten wünscht.
„Insgesamt erweist sich […] zwischen einem Drittel bis über 50 % der [familienpsychologischen] Gutachten als mängelbehaftet.“
Salewski, C. & Stürmer, S. (2014)
Zu diesem Fazit kommt eine Studie der FernUni Hagen aus dem Jahr 2014. Um einer fehlerhaften Begutachtung gewahr zu werden und diese anzufechten, ist in vielen Fällen die Bewertung des Erstgutachtens durch einen versierten psychologischen Sachverständigen ratsam. Beispielsweise wird überprüft, ob die Vorgehensweise des Verfassers und die Ausarbeitung des Gutachtens methodisch angemessen und fundiert sowie wissenschaftlich belegt und nachvollziehbar ist. Es folgt eine schriftliche, wissenschaftlich abgesicherte und fachlich fundierte Stellungnahme des Sachverständigen, die anderen Institutionen (wie Gerichten oder Jugendämtern) vorgelegt oder zur Anfechtung eines Gutachtens in einem laufenden Verfahren genutzt werden kann.
Die Dauer der Bearbeitung und die damit verbundenen Kosten hängen vom Umfang und der Komplexität des Erstgutachtens ab, i.d.R. benötigt die Ausarbeitung der schriftlichen Bewertung ca. zwei bis drei Wochen. Es kann zudem vorab um eine kurze schriftliche Einschätzung gebeten werden, ob bei dem vorliegenden Gutachten eine fachlich kritische Bewertung aussichtsreich erscheint. Vor der endgültigen Beauftragung wird ein Kostenvoranschlag zur Verfügung gestellt.
Überdies ist es möglich, für einzelne Schlussfolgerungen oder Erhebungsinstrumente eines familienpsychologischen Gutachtens eine wissenschaftlich hergeleitete Einschätzung zu erhalten, die ebenfalls für die Anfechtung vor einer Rechtsmittelinstanz herangezogen werden kann. Dies spart den Aufwand und die Kosten für eine vollumfängliche Gutachtenkritik, die in Einzelfällen möglicherweise nicht nötig ist. Für weitere Informationen setzen Sie sich mit dem Sachverständigen in Verbindung.
Unter Umständen kann die Bewertung des Erstgutachtens über eine Prozesskostenhilfe finanziert werden. Hierzu halten Sie bitte Rücksprache mit Ihrem Anwalt/Ihrer Anwältin.
Zu der Vergütung eines PKH-Anwalts zählen auch Auslagen, soweit sie zur sachgemäßen Durchführung seines Auftrags erforderlich sind, z.B. die Kosten für die Einholung eines für die sachgerechte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung seiner Partei erforderlichen Privatgutachtens. Dem beigeordneten Rechtsanwalt ist für derartige Auslagen aus der Staatskasse ein angemessener Vorschuss gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 RVG zu gewähren.
OLG Hamm, Beschl. v. 14.5.2013 – I-25 W 94/13, 25 W 94/13 | Weitere Informationen
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